Es gibt Hunde, die rennen einfach los. Und dann gibt es die, die erst den Wind lesen. Gubacca gehört zur zweiten Sorte. Noch bevor ich meine Jacke ganz zugezogen habe, hat er längst gecheckt, wo der Rüde unserer Nachbarn heute entlanggelaufen ist, welcher Vogel auf dem Zaun sitzt und ob die Tür zum Garten wirklich geschlossen ist. Er ordnet die Welt – still, aufmerksam, präzise.
Wer schon einmal in einer WG gewohnt hat, kennt die Klassiker: einer isst ständig den Joghurt der anderen, einer meidet konsequent den Staubsauger, und einer hat den Schlüssel nie dabei. Doch stellt euch vor, in diese Wohngemeinschaft zieht ein Gos d’Atura Català ein. Ab dann gilt: andere Regeln. Oder besser gesagt: seine Regeln.
Warum ich so gern vorn laufe? Weil dort mein Arbeitsplatz ist. Ich scanne, ich sortiere, ich halte Ausschau. Das hat nichts mit „Chef spielen“ zu tun, sondern mit Jobbeschreibung. Und falls ihr mal mit mir am Feldweg unterwegs seid, sieht das so aus …
Gubacca liegt ausgestreckt im Gras. Wer ihn so sieht, denkt vielleicht: „Der macht gar nichts.“ Wer ihn kennt, weiß: Hier arbeitet einer. Augen halb geschlossen, Atem ruhig – und doch entgeht ihm kein Detail. Wenn er plötzlich wie ein Blitz hochschießt, wirkt es spontan, dabei hat er längst alles registriert, abgewogen und entschieden.
Als Gubacca ein Welpe war, saß er oft da wie eine tibetische Statue. Ernsthaft, dieser Hund konnte stundenlang gucken, als würde er die Geheimnisse des Universums entschlüsseln – während andere Welpen um ihn herum schon den zehnten Gartenzwerg zerlegt hatten. Ich habe mir damals gedacht: „Den bringt nichts aus der Ruhe! Jackpot!“
Es gibt diese kurzen Momente im Leben, in denen alles perfekt scheint. Zum Beispiel, wenn der frisch gebadete Gos d’Atura im Badezimmer steht: das Fell seidig, ein Hauch von Sauberkeit liegt in der Luft und Frauchen ist erleichtert, dass das Bad nach dem „Inferno“ wieder halbwegs begehbar ist. Man könnte meinen: Jetzt nur noch Sonne, ein leichter Wind – und der Hund schwebt als „Duftwölkchen Bacca“ in den Nachmittag hinein. Tja. Könnte man meinen.
Wer den Gos d’Atura Català kennt, weiß: Sein Leben besteht aus ständiger Abwägung. Beobachten, einschätzen, entscheiden – das macht ihn zu einem Hund, der gleichzeitig Hüter und Wächter ist. Wie wir im letzten Beitrag -> Hüter, Wächter und ihr Lernverhalten gesehen haben, ist die Kombination aus Instinkt, Erfahrung und Lernen beim Gos d’Atura alles andere als einfach – und gleichzeitig faszinierend. In diesem Beitrag liegt der Fokus auf Welpen und Junghunde und darauf, wie man sie im Alltag begleiten kann, ohne sie zu bremsen oder zu überfordern. In einem späteren Blogbeitrag gibt es dann auch Tipps für den erwachsenen Gos, damit seine Fähigkeiten ein Leben lang gefördert werden.
Hüte- und Herdenschutzhunde: Instinkt mit Köpfchen
Hüte- und Herdenschutzhunde sind weit mehr als nur treue Begleiter: Sie müssen eigenständig Entscheidungen treffen, Risiken einschätzen und ihre Umgebung aufmerksam beobachten – Tag für Tag, Stunde für Stunde. Beim Gos d’Atura Català zeigt sich diese Fähigkeit besonders deutlich. Gubacca führt es mir im Alltag immer wieder vor und macht sichtbar, wie komplex das Zusammenspiel aus Instinkt, Erfahrung und Lernen sein kann.
Gubacca im Einsatz: Beobachten, dösen, blitzschnell reagieren
Wer glaubt, ein Hund müsse sich zwischen Hüter oder Wächter entscheiden, hat Gubacca noch nicht erlebt. Stundenlang kann er einfach irgendwo liegen und die Welt beobachten – wie an einem Tag am Strand, neben meinem Strandkorb. Doch kaum hatte ich die Leine gelöst, um meine Sachen zusammenzupacken, war es, als würde ein Schalter umgelegt: die Arbeit begann. Zuerst wurde ein kleiner Jack Russel aus seinem „Revier“ verjagt, bevor seine Aufmerksamkeit auf eine auf ihrer Matte liegende Frau fiel. Jede Bewegung, jeder Laut – alles wird registriert, abgewogen, entschieden. Von außen wirkt es oft, als würde er nur dösen – doch in Wahrheit beobachtet er permanent, wägt ab und plant jeden Schritt.
Haltung zeigen – auf Gos-Art
Manche denken ja, ein Hund zeigt Haltung, wenn er auf Befehl Platz macht. Ich sage: Haltung zeigt sich dann, wenn man sich von selbst hinsetzt – und zwar genau dann, wenn’s drauf ankommt. Also … so wie ich. „Es gibt Situationen, da bringt’s einfach mehr, sich hinzusetzen. Nicht aus Protest. Auch nicht aus Faulheit. Sondern aus Prinzip. Und ein bisschen aus Stil.“
Der Augenblick, in dem jeder denkt: „Wow, was für ein Schüler!
„Das ist ja ein Traumhund!“, strahlt die Hundetrainerin nach unserer ersten Stunde. Ich lächle. Innerlich. Nicht, weil ich nicht stolz wäre, sondern weil ich genau weiß: Wir sind noch in Phase eins. Gubacca ist in dieser Anfangsphase der perfekte Schüler. Reagiert blitzschnell, macht alles mit, schaut aufmerksam, als hätte er sein ganzes Leben darauf gewartet, dass endlich jemand sagt: „Bei Fuß!“
Und genau das ist der Moment, in dem man als Trainerin oder Spaziergängerin oder völlig Unbeteiligte denken könnte: leichtführiger Hütehund.Tja und dann kommt Phase zwei. Aber bevor wir dahin kommen, müssen wir uns erst Phase eins anschauen.
Phase eins: „Jawohl, Chef“
Was hier passiert, hat nichts mit blinder Unterordnung zu tun. Der Gos d’Atura bringt aus seinem Hütehund-Erbe eine extrem feine Antenne für Menschen mit. Er reagiert auf unsere Stimme, unsere Körpersprache, selbst auf einen Blick. Schnell, kooperativ, und oft schon beim ersten Versuch.
In der Fachwelt nennt man diese Bereitschaft übrigens „Biddability“. Und sie ist bei kooperativen Arbeitshunden wie Hütern genetisch deutlich stärker ausgeprägt als bei unabhängigen Arbeitern wie reinen Wach- oder Herdenschutzhunden. Beim Gos ist dieser „will to please“-Anteil wichtig, sonst könnte er keine Herde auf menschliche Signale lenken. Also: Auftrag kommt → er setzt ihn prompt um.
Phase zwei: „Moment mal …“
Der Unterschied zu vielen anderen Hütern: Der Gos d'Atura ist nicht nur Hütehund, sondern auch Wachhund. Und dieser zweite Anteil bringt eine Fähigkeit mit, die in der freien Wildbahn Gold wert ist: Eigenständige Entscheidungsfindung. Er kann und soll Situationen selbst einschätzen, Regeln hinterfragen und notfalls anpassen. Im Alltag heißt das: Sobald die Aufgabe langweilig wird (wie minutenlang perfektes „Fuß“), oder der soziale Druck nachlässt (ich schaue nicht hin, telefoniere, spreche mit jemand anderem), beginnt der interne „Kosten-Nutzen-Rechner“ zu arbeiten: „Gilt das wirklich immer? Lohnt sich das für mich? Oder könnte ich jetzt etwas anderes tun? “Das ist kein Trotz. Das ist kluge Ressourcennutzung.
Studien zeigen, dass Hunde egal welcher Rasse eher von Regeln abweichen, wenn sie glauben, dass niemand aufpasst. Bei Rassen mit starkem Unabhängigkeitsanteil ist diese Kalkulation nur eben … verfeinerter.
Mein Vergleich: Tibet Terrier vs. Gos
Chiru, mein vorheriger Hund, war ein Tibet Terrier, auch ein Hütehund. Sein Motto lautete allerdings: „Erst prüfen, dann handeln, wenn ich es für richtig halte.“ Beim Gos ist es genau andersherum: „Erst handeln, dann prüfen, ob sich das so weiterhin lohnt.“ Das liegt so meine Interpretation an der Mischung aus den beiden genetischen Programmen:
- Hütehund: schnelle Reaktion auf Menschensignal
- Wächter: eigenständige, strategische Bewertung der Situation
Der eine Filtert zuerst, der andere agiert zuerst. Beide sind schlau, nur eben auf unterschiedliche Weise.
Was mir im Training geholfen hat
Ich habe schnell gelernt, dass Phase zwei nicht das Ende der Kooperation ist sondern der Beginn des Dialogs.
- Regeln sind Regeln. Wenn ich bei „Fuß“ nachgebe, nur weil er fragt, ob’s noch gilt, habe ich verloren. Also: konsequent bleiben, auch wenn der Blick „Na?“ sagt.
- Spaßfaktor hochhalten. Unbeliebte Daueraufgaben mische ich mit Lieblingsübungen, um die Motivation im Fluss zu halten.
- Motivation variieren. Manchmal Futter, manchmal Spiel, manchmal nur ein kurzes „Gut gemacht!“ – so bleibt es spannend.Präsenz zeigen.
- Sobald ich geistig aussteige, steigt er auch aus. Wenn ich klar, aufmerksam und verlässlich bin, bleibt er es auch.
Warum das wichtig ist
Wer dieses Zwei-Phasen-Denken versteht, reagiert nicht frustriert, wenn der Gos plötzlich „prüft“. Man sieht es als das, was es ist: ein Beweis für Intelligenz und Selbstständigkeit und eine Einladung, Führung nicht als Befehlskette, sondern als partnerschaftliche Zusammenarbeit zu leben.Und wenn die nächste Hundetrainerin wieder sagt: „So einen braven Hund hatte ich lange nicht mehr!“, werde ich wieder lächeln. Weil ich weiß: Die Prüfung kommt noch.
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Ich freue mich, wenn wir ins Gespräch kommen und bin gespannt, wie du das Zwei-Phasen-Denken deines Hundes erlebst! 🐾
Wir sind Goslogisch
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Bine: neugierig, schreibfreudig,
mit Hang zur Analyse.
Gubacca: impulsiv, eigenwillig
und unwiderstehlich.
Zusammen erklären wir die Welt. Oder wenigstens den Gos.
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Zitat des Monats
„Wenn du führen willst, führ gut.
Sonst übernehme ich.“
Sonst übernehme ich.“
– Gubacca









