Welpenalltag mit Gos: Tipps für angehende Hüter und Wächter

Wer den Gos d’Atura Català kennt, weiß: Sein Leben besteht aus ständiger Abwägung. Beobachten, einschätzen, entscheiden – das macht ihn zu einem Hund, der gleichzeitig Hüter und Wächter ist. Wie wir im letzten Beitrag -> Hüter, Wächter und ihr Lernverhalten gesehen haben, ist die Kombination aus Instinkt, Erfahrung und Lernen beim Gos d’Atura alles andere als einfach – und gleichzeitig faszinierend. In diesem Beitrag liegt der Fokus auf Welpen und Junghunde und darauf, wie man sie im Alltag begleiten kann, ohne sie zu bremsen oder zu überfordern. In einem späteren Blogbeitrag gibt es dann auch Tipps für den erwachsenen Gos, damit seine Fähigkeiten ein Leben lang gefördert werden.

Entspannter Gos d’Atura Català Welpe Gubacca liegt locker im Gras auf einer sonnigen Wiese, Schwanz am Boden, Augen halb geschlossen, friedlicher Gesichtsausdruck.


1. Neue Erfahrungen behutsam einführen

Beim Gos d’Atura Català kann Fremdes schnell einen hohen Erregungslevel auslösen. Selbst ein scheinbar harmloser Gegenstand auf dem vertrauten Spazierweg aktiviert seine Alarmbereitschaft  und das ganz ohne, dass er wirklich überfordert oder verängstigt ist. Bei Welpen ist das noch stärker ausgeprägt, weil alles für sie neu und aufregend ist.

Ein kleiner Exkurs zur Begriffsklärung: Man hört oft, junge Hunde würden „Stress“ empfinden. Klassischer Stress bedeutet, dass der Körper unter Daueralarm steht, Stresshormone ausschüttet und das Tier überfordert ist. Was wir beim Gos d’Atura jedoch beobachten, ist meist etwas anderes: eine natürliche Alarmbereitschaft, Wachsamkeit und Neugier – spannend, aufmerksam, aber kein Stress im eigentlichen Sinn.

Am besten führt man neue Erfahrungen immer neben etwas Vertrautem ein: der Garten, ein bekannter Spazierweg oder das Lieblingsspielzeug. Ein ungewohntes Geräusch oder ein fremder Gegenstand wird so neben etwas Bekanntem präsentiert, während der Welpe seine gewohnte Routine durchläuft. Auf diese Weise lernt er: „Das Neue ist spannend, aber nicht gefährlich.“ Kommt der Welpe dagegen plötzlich mit völlig Fremdem in Kontakt, kann sein Erregungslevel zu hoch steigen. Dann reagiert sein Instinkt „Gefahr!“ auf Vollgas – das Ergebnis sind hektisches Hin- und Herrennen, Bellen oder panisches Zurückweichen.


2. Auf den Erregungslevel achten, bevor neue Erfahrungen folgen

Bevor wir einen jungen Gos d’Atura mit etwas Neuem konfrontieren, lohnt es sich genau hinzuschauen: Wie hoch ist sein Erregungslevel gerade? Gerade bei Welpen kann die Energie sehr schnell ansteigen, und viele junge Hunde haben noch keinen zuverlässigen inneren „Begrenzer“, der sie automatisch runterregelt.

Praktisch heißt das: Ein junger Gos, der uns gerade stürmisch begrüßt hat, wenn man nach Hause kommt, ist noch zu aufgeregt für einen Übungsspaziergang. Genau so verhält es sich mit der oft empfohlenen Methode „vorher richtig toben lassen“: Wildes Raufen oder Spiel steigert den Erregungslevel oft so stark, dass der Hund anschließend neue Situationen kaum noch entspannt aufnehmen kann. Selbst positive Reize wie Freude, Spiel oder Wasser können den Pegel stark erhöhen.

Die Konsequenz: Bevor man den Welpen mit neuen Eindrücken, Geräuschen oder Menschen konfrontiert, lohnt es sich, ihn kurz herunterzufahren oder zumindest sicherzustellen, dass der Moment für ihn geeignet ist. Nur so kann er die neuen Erfahrungen wirklich aufnehmen und lernen, statt von der eigenen Energie überwältigt zu werden.


3. Mit dem Erregungslevel umgehen – Ruhe bewahren und Sicherheit vermitteln

Manchmal ist der Erregungslevel schon stark angestiegen, wenn neue Situationen auftauchen – das lässt sich bei Welpen nicht immer verhindern. Dann liegt der Schlüssel darin, ruhig zu bleiben und klare Orientierung zu geben, ohne die Eigeninitiative des Hundes zu unterdrücken. Ein kurzer Blick, ein sanftes Wort oder eine leichte Berührung an der Schulter können schon helfen, die Aufmerksamkeit zu lenken und ihn etwas zu beruhigen. Dabei geht es nicht darum, die natürliche Wachsamkeit oder Neugier des Gos d’Atura zu unterdrücken – er wurde ursprünglich dafür gezüchtet wachsam sein. Vielmehr geht es darum, die Energie in sichere Bahnen zu lenken, sodass der Hund die Situation einschätzen kann, während wir Zweibeiner die Kontrolle übernehmen.

Welpe Gubacca untersucht vorsichtig eine kleine Tüte, aufmerksam und neugierig auf einem ländlichen Feldweg.

Ich habe oft festgestellt:  Wen ich in diesen Momenten selbst ruhig und präsent geblieben bin, gab es Gubacca das Signal: „Alles in Ordnung, ich habe die Situation im Griff.“ So kann der junge Gos beobachten, lernen und gleichzeitig seine Energie dosieren, ohne überfordert zu werden.

4. Schritt für Schritt üben – Dosierung ist entscheidend

Bei sehr jungen Gos d'Atura Welpen ist es sinnvoll, nicht stur eine feste Runde abzulaufen, sondern flexibel auf die Situation zu reagieren. Schon ein kurzer Spaziergang kann so starke neue Eindrücke enthalten, dass das für einen Tag ausreicht. Entscheidend ist nicht die Zahl der Begegnungen, sondern die Herausforderungsgröße: wie intensiv und ungewohnt eine Situation für den Welpen ist.

Ein Beispiel aus unserer Praxis: Gubacca war als Welpe auf einer kleinen Runde unterwegs, als ein großer Traktor auftauchte – für ihn ein riesiges Ungetüm, das ihn sofort in Alarmbereitschaft versetzte. In solchen Momenten war es entscheidend, dass ich direkt an seiner Seite blieb, ruhig und präsent, ihn nicht drängte, aber Orientierung bot. Wir sind dann die Runde ruhig zurückgelaufen, ohne weitere neue Eindrücke hinzuzufügen. So konnte er die Erfahrung verarbeiten, ohne dass die vielen neuen Eindrücke ihn überforderten.

Die Lektion dahinter: Schritt für Schritt üben bedeutet, kleine Häppchen zu geben, Sicherheit zu vermitteln und den Erregungslevel im Blick zu behalten. So lernt der Welpe, dass neue Situationen spannend, aber beherrschbar sind, auch wenn sein Instinkt ihn zunächst zu Flucht oder Alarmdrang verleitet.


5. Verarbeiten lassen – der Welpe entscheidet mit

Ein Punkt, den viele unterschätzen: Der Welpe braucht Gelegenheiten, neue Situationen in seinem eigenen Tempo zu verarbeiten. Das heißt nicht, dass man ihn alleine lässt – im Gegenteil: Ich bleibe an seiner Seite, beobachte aufmerksam, strahle Ruhe aus und zeige ihm durch meine Körpersprache: Alles unter Kontrolle, es passiert nichts Unvorhergesehenes. So merkt der Welpe: „Die Zweibeiner sind da, alles safe“. Ich gebe Orientierung, indem ich neben ihm bleibe, Blickkontakt halte oder ihn sanft an der Schulter streichle, ohne ihn zu drängen. Kleine Signale wie ein ruhiges Wort, ein Handzeichen oder ein kurzes Streicheln genügen oft schon, um Sicherheit zu vermitteln. So kann er selbst entscheiden, wann er näherkommt, Abstand hält oder weiterläuft – er übt so, selbst abzuwägen, ohne dass ich ihm die Entscheidung abnehme.

Ein Beispiel aus unserer Praxis: Bei Gubacca waren es einmal Kinder auf Rollerblades, deren kleine Räder ein ungewohntes Geräusch machten und ihn sofort in Alarmbereitschaft versetzten. Ich konnte fast sehen, wie er dachte: „Was zur Hölle sind das für Geräusche?!“ Ich blieb ruhig an seiner Seite, ließ ihn alles beobachten und bestimmte selbst, wie nah wir gehen. Nach ein paar Augenblicken entspannte er sich wieder, schnaubte leicht und trottete weiter – er hatte erlebt, dass Neues spannend, aber beherrschbar ist, während ich die Sicherheit gab.

Und ja, manchmal wirkte er danach wie ein kleiner General, der sich die Lage nochmal im Kopf sortiert, bevor er weiterläuft – aber das ist genau der Lernprozess, den ich ihm ermöglichen wollte.


Fazit

Auch wenn dein Gos später erwachsen ist, wird es immer wieder Situationen geben, die ihn herausfordern. Bei uns war es zum Beispiel gestern ein "Kletterwald" mit Menschen die sich auf einmal oben in der Luft bewegten.  Wichtig ist nicht, alles vorhersehen zu können, sondern Schritt für Schritt beizubringen, mit Instinkt und Eigenständigkeit umzugehen.


Gos d'Atura Welpe Gubacca steht selbstbewusst und keck mitten auf einem schmalen Asphaltweg, aufmerksam und charmant.

Ein entscheidender Faktor sind vertraute Anker: alles, was dem Welpen Sicherheit gibt, weil er es kennt – Routinen, bekannte Wege, Lieblingsplätze, vertraute Menschen oder Artgenossen, sein Lieblingsspielzeug. So kann er neue Eindrücke einordnen und lernen, dass Neues spannend, aber beherrschbar ist. Mit Beobachtung, Dosierung, Raum zum Verarbeiten und klarer menschlicher Sicherheit stärken wir die Doppelrolle Hüter/Wächter. So lernt der Hund, selbst einzuschätzen, wann es Zeit ist zu reagieren – und wann Ruhe angesagt ist.

In einem der kommenden Beiträge schauen wir, wie sich diese Prinzipien auf den erwachsenen Gos d’Atura übertragen lassen, wenn Situationen größer, lauter oder schneller werden. So begleiten wir ihn vom Welpenalter an und legen das Fundament für ein entspanntes, selbstbewusstes Miteinander ein Leben lang.

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Ich freue mich, wenn wir ins Gespräch kommen und bin gespannt, wie es euch mit eurem Welpen oder Junghund ergangen? Was waren eure Herausforderungen und wie habt ihr sie gemeistert? Aber auch die Stolpersteine sind spannend! 

Bine

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